Too good to die

Bei manchen Künstlern fragt man sich, warum die nicht schon längst im Ruhestand sind. Bei anderen hofft man, sie hören niemals auf. Greg Dulli gehört zu letzteren. Da schreckt man selbst als allzu junge Hörerin nicht vor der Liebe zum Gestrigen zurück. Und wenn 20-jährige Indie-Retro-Fritzen mit verächtlich angewidertem Achselzucken reagieren, beim Reinhören in Alben von THE TWILIGHT SINGERS – dann ist das erst recht ein Kompliment an den Sound einer vergangenen Generation.

Was Dulli anfasst, scheint Gold zu werden. Berühmt geworden ist er Ende 1980er als Mastermind der bereits legendären AFGHAN WHIGS. Obwohl im weiten Umfeld des 90er-Jahre Grunge angesiedelt, gehörte die Band nie wirklich irgendwo dazu – weil sie mit ihrer Mischung aus Screamo-Gitarren-Sound und Soul-Einfluss einfach ihr eigenes Ding machte. Als diese um die Jahrtausendwende zerbrach, gründete Dulli THE TWILIGHT SINGERS. Als einzig festes Mitglied bildet er auch hier das Epizentrum eines Künstlerkollektivs, das verschiedenste Einflüsse und Stile in feinster Manier vermischt: Grunge, Blues, Soul, Rock. Solo erkundete Dulli dann mit Amber Headlightswieder neue Töne, Rock’n’Roll-lastiger Soul meets fast-schon-in-Richtung-Industrial – und die gewisse Ähnlichkeit zu Trent Reznor klingt hier deutlicher durch als in anderen Projekten. Im Duett mit Mark Lanegan als THE GUTTER TWINS verdoppelt und ergänzt sich seit 2008 das Kreativpotential der Bluesrock-Schule. Letztere spielten übrigens zuletzt Anfang 2009 in Berlin – ein atemberaubend schönes Konzert zweier Altmeister!

Im Jahr 2000 debütieren THE TWILIGHT SINGERS mit Twilight as Played by The Twilight Singers. Drei Jahre später erscheint Blackberry Belle. Mit dem Album verarbeitet Dulli den Verlust eines kurz zuvor verstorbenen Freundes, dem Regisseur Ted Demme. Auf dem 2004er Cover-Album She loves you singt er „I am too tough to die“ von Martina Topley-Bird mit solcher Inbrunst, dass man für einen Moment versucht ist zu glauben, hier wird wirklich mal einer selbst über seinen Abgang entscheiden, ohne Rücksicht auf das Schicksal oder den Willen des lieben Herrn im Himmel. Neuinterpretationen selbst von Künstlern wie Björk, Mary J. Blige und Marvin Gaye gelingen. Und Cover-Versionen von BILLIE HOLIDAYs ‚Strange Fruit‘, GERSHWINs ‚Summertime‘ und JOHN COLTRANEs ‚A Love Supreme‘ schaffen es mühelos als eigenständige Songs zu überzeugen, deren Vorlage man erst auf das zweite Horchen erkennt.

Powder Burns hieß der subtil dröhnende Nachfolger aus dem Jahre 2006, und bereits der Titel verrät, dass man mit zunehmendem Alter keineswegs an Zündstoff velieren muss. Danach hatten die zwielichtigen Sänger release-technisch erstmal einige Jahre Verschnaufpause, weil Dulli solo und mit Lanegan am werkeln war und auch viel getourt wurde. Und nun im Jahre 2011 also die vierte Veröffentlichung Dynamite Steps, ein ruhigeres Werk als seine Vorgänger.

Mit einer Menge Kanonenfutter im Magazin und fünfköpfiger Bandbesetzung begann die Welttour nun im März in Europa. Also, ab zum Konzert und statt Album-Review lieber das Original live und loud reinziehen.

(Diese Rezension erschien zuerst auf Popmonitor.berlin.)

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THE TWILIGHT SINGERS
Montag, 28. März 2011
Festsaal Kreuzberg (Skalitzer Str. 130 // U1 Kottbusser Tor)
Einlass: 20h // Beginn: 21h
VVK: 20.50 Euro zzgl. Gebühren

www.thetwilightsingers.com
www.myspace.com/twilightsingers
www.subpop.com

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