Schwarz gemacht

Deutsch sein und Schwarz sein und das in den 1930er Jahren in Berlin – darum geht es in „Schwarz Gemacht“ von Alexander Thomas, das diesen Monat in der Regie von Daniel Brunet beim English Theatre Berlin wieder auf dem Spielplan steht. Das Stück beleuchtet ein wichtiges Stück Geschichte, verfehlt es aber die psychologische Tiefe darzustellen.

schwarz-gemacht_1klausernestallanhausmanncphoto-by-danielgentelev Ernest Allan Hausmann als Klaus. © Foto von Daniel Gentelev

Klaus (Ernest Allan Hausmann) ist ein deutscher Patriot, wie ihn das Ariervolk sich nur hätten wünschen können, wenn er denn nur nicht Schwarz wäre. Er verkörpert deutsche Kultur und Werte, will seinem Land dienen und verteidigt Geschichte und Gesellschaft gegenüber jeglicher Kritik. „If I don’t exist here, I don’t exist anywhere“, sagt er.

Das Stück beginnt mit Wilhelm Buschs „Die Geschichte von den schwarzen Buben“, in welcher deutsche Jungs nachdem sie einen „Mohr“ hänseln zur Strafe Schwarz gemacht werden. Auch wenn die vermeintliche Moral von Buschs Geschichte die Boshaftigkeit der Jungs an den Pranger stellen will, will Thomas Alexander uns damit zeigen, dass das „Schwarz sein“ letztlich als etwas Schlechtes, Unbegehrliches – als Strafe – dargestellt wird. Und wenn auch nicht bei Busch, so weist das Theaterstück durch den Titel auch darauf hin, dass Schwarze letztlich Schwarz gemacht werden – es hier also um eine soziale Konstruktion geht. Denn freilich ist es nicht der Melaningehalt der Haut, um den es geht, wenn von Schwarzsein die Rede ist.

Klaus lebt beim weißen deutschen Paar Ruth (Kerstin Schwees) und Walter (Peter Priegrann), linke Anti-Faschisten, welche das Dritte Reich von Stunde Null an kritisch beobachten und Klaus vor den Nazis beschützen wollen. Doch beide verkörpern auf ihre Art zwei weiße Typen, die sich ihres eigenen Rassismus nicht bewusst sind. Da wäre zunächst Ruth, die sich als Entdeckerin und Retterin von Klaus sieht; die von ihm angezogen war, weil sie ihn „exciting, beautiful and shy“ fand. Wiederholt streicht sie heraus, wie klug und talentiert und gesittet er sich verhalte. Zugleich erwartet Ruth von Klaus, dass er Gepäck trägt und Kaffee serviert, da sie als Gegenleistung für eine Unterkunft mit ihm vereinbart hat, dass er zu Hause zu dienen hat. Alexander Thomas demonstriert durch die Figur Ruth, dass solche weißen projizierten Bilder Klaus letztlich exotifizieren und herabwürdigen und auch die Tradition des White Man’s Burden füttern.

Lisa (MiriamAnnaSchroetter) & Ruth (KerstinSchweers). © Foto von Daniel Gentelev Lisa (MiriamAnnaSchroetter) & Ruth (KerstinSchweers). © Foto von Daniel Gentelev

Walter wiederum, der seine Verachtung gegenüber den Nazis im Alkohol ersäuft wirft Klaus dessen Identitätskampf als Ignoranz, Naivität und Nazi-Liebäugelei sehr selbstgerecht vor den Kopf. Zynisch macht er Klaus klar, dass dieser nie ein Deutscher sein können werde. Auch Walter stilisiert sich dabei zum Helden, der Klaus durch seine Anstellung beim Film rette und rechnet es sich selbst als Leistung an, ihn zu akzeptieren und tolerieren. Ruth und Walter verfehlen es, Klaus auf gleicher Augenhöhe zu begegnen, ihn als Mensch mit emotionaler Komplexität Ernst zu nehmen und einfühlsam zu unterstützen. Stattdessen werfen sie ihm am Ende sogar Undankbarkeit vor und dass er das Wohl aller gefährdet hätte, indem er sich zu viele Freiheiten außer Haus gestatte, statt den ihm von den Nazis zugewiesenen Platz in der Gesellschaft anzunehmen.

Die Dramaturgie ist etwas müde, einem Kammerspiel gleich treten die fünf Darsteller immer nur auf der gleichen Bühnenecke auf, außer Ernest Allan Hausmann, der als Klaus die ganze Bühne abtasten darf. Doch auch wenn Entwicklung und Machtverhältnisse im Dialog und symbolisch dargestellt werden sollen, kommt keine rechte Dynamik ins monoton unterbrochene Stück. Zentrales Requisit sind endlose Zeitungsstapel. Aus diesen Reichspropaganda-Zeitungen zitiert Klaus zwischen den Akten die täglich neuen Paragraphenänderungen und verschärften Rassengesetze, während eine Leinwandprojektion im Hintergrund das historische Datum in Altdeutscher Schrift gibt.

Dann trifft Klaus auf Maurice (Sadiq Bey), einen Schwarzen Amerikaner, Jazz-Musiker im Berliner Exil, der den Gegenpol zu Klaus darstellt. Während Klaus an seinem Patriotismus hängt, hat Maurice sein Land längst als „scheiße“ hinter sich gelassen, definiert sich vorrangig als Schwarz, nicht als Amerikaner und pfeift auf Zugehörigkeit, wo er nicht erwünscht ist. Er nennt Klaus einen „blind, deluded and out-of-mind-fool“, weil dieser darauf beharrt Deutscher zu sein und Maurice‘ Versuche ein „us“, „folk“ und „family“ zu etablieren wütend verweigert. Von Maurice auf die Herkunft seines Vaters angesprochen ist in Klaus ein wunder Punkt getroffen und er leugnet einen Vater zu haben.

Maurice (Sadiq Bey) und Klaus (ErnestAllanHausmann). © Foto von Daniel Gentelev Maurice (Sadiq Bey) und Klaus (ErnestAllanHausmann). © Foto von Daniel Gentelev

Die Logik die ihn ausschließt kann und will Klaus nicht anerkennen. Aber es ist nicht nur die Verweigerung dieser Gewalt: Klaus ist Deutscher. Er ist in Berlin geboren, aufgewachsen und sozialisiert. Seinen Vater und dessen Geschichte kennt Klaus nicht einmal. Die zwei Identitäten gegeneinander zu verhandeln, Deutsch sein und Schwarz sein, das ist es, was Klaus nicht vereinbaren kann. Denn Deutsch fühlt er sich. Schwarz wurde er nur gemacht. Und das vor allem mit Scham und negativen Gefühlen: die Mutter hat Klaus von klein auf eingeflüstert, er müsse eine guter Deutscher sein, besonders höflich und sich möglichst unsichtbar machen in der Menge, um nicht aufzufallen. Er solle nicht nach mehr fragen, als ihm gegeben werde. Und schließlich sah er in seiner Haut im Spiegel das Monster seiner Kindheit.

Es gibt sie alle, diese Typen. Doch als Figuren im Stück wirken sie unglaubwürdig eindimensional. Klaus‘ Wandel kommt nach so langer Verweigerung und so spät zu sprunghaft. Denn Zweifel und Widerstand, die in ihm schon früher gebrodelt haben müssen kommen für den Zuschauer auch nicht in Momenten seiner einsamen Monologe zur Schau. Da wurde eine Chance vertan, Klaus als komplexer darzustellen und eine empowernde Nachricht mitzugeben. So bleibt er Spielball und allen anderen Figuren und deren Launen ausgeliefert. Auch Ruth, Walter und Maurice kommen nicht raus aus scherenschnitthafter Rede und Geste, so dass wir auch hier nicht wirklich eintauchen können, in ein emotionales Leben voller Unsicherheit, Zweifel, Schuld, Wut, Hass, Liebe, Glaube, Hoffnung oder Verzweiflung.

„Ich bin Schwarz. Und ich bin auch deutsch“, ruft Klaus am Ende dann aber voller Stolz. Und wer wissen möchte, wie Klaus diesen Wandel vollzogen hat, kann sich das Stück noch am 17./18./23./24./25. April in Berlin ansehen.

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Schwarz Gemacht im English Theatre Berlin
www.etberlin.de
Tickets: 14/8€

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