DYSTOPIe als gelebte realität

Hart, rau, messerscharf: so schleudert Saul Williams uns die Verse von Martyr Loser King im Frannz Club in Berlin entgegen. Über eine Stunde heizt Williams dem Raum ein – solo, fast im Dunkeln und nur mit einem Mikrofon ausgestattet. Seine Show soll nicht gefallen, sondern fordert die Hörer mit abgehackten Beats, langen Pausen und einer verstörenden Videocollage heraus. Am Ende fühlt man sich nicht unbedingt glücklicher, aber wacher und schlauer.

Saul Williams live, CC.

Der Poet, Spoken-Word-Künstler, Rapper, Musiker und Schauspieler Saul Williams ist vielen durch seinen Auftritt beim Def Poetry Jam 2004 bekannt geworden. In Mos Defs legendärer HBO-Serie trug er das Stück „List of Redemption“ seines Debütalbums vor. Zu diesem Zeitpunkt hat Williams bereits eine lange Laufbahn als Poet, verbindet seine Verse aber erst seit Kurzem mit Musik. Dabei unterstützt ihn Mastermind Trent Reznor von den Nine Inch Nails. Das Ergebnis ist ein roher Industrial-Sound, der Williams kantigen Zeilen den passenden Klangteppich ausbreitet.

Albumcover von „Martyr Loser King“.

Wililams trägt sein neues Album an diesem Abend im Frannz Club solo vor. Beats, Sounds und Musik donnern aus den Lautsprechern, Video-Loops überlagern ihn und die Rückwand und Williams rappt dazu live die Texte. Die Bühne liegt im Halbdunkel, Williams verschwindet mitunter minutenlang im Halbschatten und Stummheit. Umso stärker wirken seine abgehackten, energiegeladenen Gesten, als er über die Bühne und schließlich mitten ins Publikum springt. Es wird klar: nicht er, der einzelne Poet steht im Vordergrund, sondern die Worte, die mehr wissen als er. Die Assoziationen und Bilder sollen sich zwischen den Zeilen und anwesenden Menschen neu im Raum verknüpfen.

Williams Musik ist Ausdruck von heftigen Gefühlen wie Zorn, Verzweiflung, Ohnmacht und Angst und doch Williams Performance ist kein aggressiver Angriff, keine Anklage, kein Manifest. Seine Musik ist Katharsis, Überleben, Widerstand. Und: der unermüdliche Versuch, das tausend Mal Gesagte spontan nochmal anders zu sagen – bis wir es hören und uns davon berühren und verändern lassen. Dafür braucht es beim Publikum ein scharfes Ohr und die Bereitschaft, unangenehme Wahrheiten anzuhören. Daher kommt im Publikum auch weniger Tanzlaune auf, dafür aber eine düstere Trance, in der man an Williams Lippen hängt.

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Popmonitor & VelocitySounds Records präsentieren:
Saul Williams (US) – „Martyr Loser King Tour 2016“
Dienstag, 1.11.2016 im Frannz Club, Berlin

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