Polarisierend anders
ANNA CALVI ist mal wieder einer jener Musiker-Fälle, bei denen der Ruf des Namens dem Klang der Musik vorauseilte. Jeder hatte zu Beginn des Jahres schon von der jungen Britin gehört, noch bevor man ihre Songs kannte oder das Album gar veröffentlich war. Und überall war dabei überschwänglich positiv und in großen Lobeshymnen von der Newcomerin die Rede, ohne dass man so wirklich ahnen konnte, was denn nun die Neuigkeiten hinter dieser Entdeckung zu sein schienen. Ob es bei all dem Geheimtipp-Geflüster letztlich mehr um die Person, den Look oder die Musik ging.
Mittlerweile hatte man Gelegenheit dem selbstbetitelten Debüt zu lauschen und sich ein eigenes Urteil zu bilden. CALVIs Einflüsse kann man ebenso deutlich hören, wie sie von der Musikerin auch offen benannt werden: Edith Piaf, Maria Callas, Nina Simone, Nick Cave, David Bowie und klassische Musik. Und doch: ja – da ist was ganz eigenes. Schwer zu sagen, was. Die Mischung macht’s eben: düster-melancholische Einflüsse aus Rock und Blues, Pathetik und Dramaturgie von Oper und Klassik und Glamour und Attitüde zwischen 80ern und spanischer Folklore. Aus einem schüchtern-zerbrechlichen, dünnen Stimmchen im Interview wird in der Musik plötzlich ein voller, sinnlicher, kompromissloser Alt. Aus einer Marketinglücke wird eine perfektionistische Musikerin, die sowohl das Handwerk der Komposition als auch Interpretation beherrscht. Aus einer ästhetischen Projektionsfläche wird eine gleichgültige, konzentrierte und selbstsichere Performerin.
Spannung ist vielleicht der Schlüsselbegriff, wenn man mal von einem „Konzept“ ANNA CALVI ausgehen möchte. Bei alledem muss man letztlich Sympathie haben für das, was die Londonerin scheinbar in minutiösem Perfektionismus recht still und zurückgezogen betreibt – im Studio wie auch in ihren minimalistischen, aber wohl recht intensiven und äußerst präsenten Bühnenshows. Mit dem Fluch einer wohlmeinend hervorragenden Presse belastet, verbinden sich nun zusätzlich beinah unerfüllbare Erwartungen mit der Deutschlandpremiere. Man wird sie wohl entweder umwerfend finden oder erschreckend langweilig. Aber das ist nur eine Vermutung. Wer’s herausfinden will, muss hingehen!
(Diese Rezension erschien zuerst auf Popmonitor.berlin.)
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ANNA CALVI
Freitag 07.10.11 | Astra Kulturhaus
Einlass: 20 Uhr, Beginn: 21 Uhr
Tickets: VVK 15 EUR zzgl. Gebühren
http://www.annacalvi.com
http://www.myspace.com/annacalvi
http://www.dominorecordco.com
www.loft.de
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