Die macht der selbstverpflichtung
Eine lebenslange Performance oder eine gelebte Verpflichtung – wo ist da der Unterschied? So könnte die programmatische Frage von Adrians Piper „The Probable Trust Registry“ lauten. Es ist eine Einladung, über den unausgesprochenen Vertrag des ehrlichen sozialen Miteinanders und die eigenen ethischen Ansprüche nachzudenken. Der Hamburger Bahnhof zeigt nun diese performative Installation, für die Piper bei der Venedig Biennale 2015 mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde.
Adrian Piper. The Probable Trust Registry: The Rules of the Game #1-3,
Hamburger Bahnhof, © Foto: David von Becker.
Eine lebenslange Performance oder eine gelebte Verpflichtung – wo ist da der Unterschied? So könnte die programmatische Frage von Adrians Piper „The Probable Trust Registry“ lauten. Es ist eine Einladung, über den unausgesprochenen Vertrag des ehrlichen sozialen Miteinanders und die eigenen ethischen Ansprüche nachzudenken. Der Hamburger Bahnhof zeigt nun diese performative Installation, für die Piper bei der Venedig Biennale 2015 mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde.
Sprechakte bedingen Handlungen und Erwartungen
Adrian Piper. The Probable Trust Registry: The Rules of the Game #1-3,
Hamburger Bahnhof, © Foto: David von Becker.
Mit einer Unterschrift legt sich ein Mensch der Konvention nach auf etwas fest, erklärt sich zur Erfüllung einer (oft lebenslangen) Verpflichtung bereit. Und das Vertrauen der Mitmenschen, dass der Unterzeichner sein Wort hält, verleiht dieser Festlegung Wirkmacht, macht das Versprechen quasi zu einer Institution. Die Macht, die ein Versprechen, ein Schwur oder eine Selbstverpflichtung haben, obwohl es sich zuvorderst um reine Sprechakte handelt, liegt nämlich darin, dass sie in anderen Menschen gerechtfertigte Erwartungen wecken.
Adrian Piper. The Probable Trust Registry: The Rules of the Game #1-3,
Hamburger Bahnhof, © Foto: David von Becker.
Abgesehen von dieser Verantwortung, gegenüber anderen berechenbar zu handeln, liegt eine ebenso große Herausforderung darin, seinen eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. Darin also, dass unser Handeln unserem Reden entspricht. Aus der Selbsterfahrung mit guten Vorsätzen und Lebensstiländerungen kennt wohl jeder die Schwierigkeit, sich an solche Verträge mit sich selbst zu halten.
Die Regeln des Spiels
In der performativen Installation von Adrian Piper kann die Besucherin sich an drei Informationsschaltern auf die Einhaltung je einer von drei Aussagen festlegen: „I will always be too expensive to buy“, „I will always mean what I say“ und „I will always do what I say I am going to do“. Diese drei „Regeln des Spiels“ werden durch Unterzeichnung eines schriftlichen Vertrags anerkannt. Mit der ausgedruckten Urkunde hält der Besucher dann den Nachweis seiner Teilnahme in Händen.
Adrian Piper. The Probable Trust Registry: The Rules of the Game #1-3,
Hamburger Bahnhof, © Foto: David von Becker.
Die weiteren Regeln des Spiels besagen, dass alle Namen der Unterzeichner unter den Festlegungen bei der Nationalgalerie gespeichert und nach der Ausstellung untereinander zugemailt werden. Möchte ein Mensch mit einem anderen von der Liste in Kontakt treten, so geht dies über die Nationalgalerie, sofern der gesuchte Mensch der Offenlegung seiner E-Mail-Adresse zustimmt. So kann man mit Gleichgesinnten/Gleichgewillten Kontakt aufnehmen.
In der Gemeinschaft wird aus Symbolen Realität
Dieser interaktive Teil rückt die Bedeutung des Gesehen-Werdens in den Fokus, die Macht der sozialen Kontrolle. Denn wer weiß schon, ob ich mich an das halte, was ich hier verspreche? Durch die quasi-öffentliche Namensliste aber existiert sowohl in meinem Kopf als auch ganz real eine Gruppe an Menschen, die immer wissen werden, was ich für den Rest meines Lebens versprochen habe und die mich kontaktieren und kennenlernen könnten.
Es ist zu einem wesentlichen Teil diese Kenntnisnahme unserer Handlunsabsichten durch andere, die als Korrektiv für unser ethisches Handeln dient. Die Urkunde meiner Verpflichtung hängt nun gerahmt in meinem Wohnzimmer und erinnert mich jeden Tag daran, dass ich alles, was ich sage, auch so meinen möchte. Eigentlich selbstverständlich, aber damit das hehre ethische Ziel im Alltagsstress nicht untergeht, kann so ein kleines tägliches Mantra sicherlich nicht schaden.
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HAMBURGER BAHNHOF
Adrian Piper | „The Probable Trust Registry“
Ausstellung: 24. Februar — 3. September 2017
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