Performing Back

Simone Dede Ayivi setzt sich in ihrer sarkastischen und geistreichen Darstellung „Performing Back“ damit auseinander, wie schmerzhaft das Erinnern an deutsche Geschichte und gegenwärtige Geschichtsschreibung sein kann, wenn man dort immer der andere ist. Sie zeigt wie weiße kolonialperspektiven als vermeintlich neutrale Geschichtsschreibung fortbestehen und verdeutlicht die damit einhergehenden machtverhältnisse und rassistischen Stereotype.

In ihrer multimedialen Erzählung mischt Dede Ayivi einen an das Publikum gerichteten Monolog und eine Performance auf der Bühne mit Video-Einspielungen. Mittels einer Live-Kamera legt sie den Fokus auf einzelne ihrer Aktionen. Ihre Performance will die vermeintliche Normalität der Geschichtsschreibung unterbrechen, hinterfragen und setzt ihr eine postkoloniale Alternativsicht entgegen.

Standbild aus dem Trailer zu "Performing Back". Standbild aus dem Trailer zu „Performing Back“ von Simone Dede Ayivi.

Zum Beispiel gibt es in Berlin nach wie vor eine Mohrenstraße, sogar eine U-Bahn-Haltestelle ist so benannt. Dabei ist das Wort „Mohr“ weder neutral noch unverfänglich, sondern mit einer Geschichte der Gewalt, Ausbeutung und Abwertung verbunden. Schließlich wurde die Bezeichnung von Weißen erfunden und einer Gruppe von Menschen als Stigma aufgedrückt und stellt keine Selbstbezeichnung dar.

Ayivi unterstreicht Schlüsselbegriffe aus ihrer Rede, indem sie diese in Briefen aufschreibt, die sie sich selber in die Heimat schickt. Die Live-Kamera zoomt auf das Papier und überträgt sie auf die Leinwand: Wissen, Perspektiven, Denkmal, Erfahrungen, hörbar machen. Geschichte ist keine neutrale Erzählung, sie wird gemacht und dabei entscheidet Macht, welche Fakten verschwinden und welche Erzählungen Glaubwürdigkeit erhalten und als Wissen überliefert werden.

In Video-Einspielungen zeigt sie Interventionsstrategien – Aktionen also, die genau dieses Weiterbestehen von nicht hinterfragtem Wissen zur Debatte stellen sollen. Dabei werden rassistische Straßennamen überklebt oder Denkmäler abgesperrt – solche beispielsweie, die zum Andenken an Kriegsverbrecher und Mörder aufgestellt wurden, weil diese einstmals einem Deutschen Reich zu Eroberungen verhalfen. Mann kann sich heute nicht vorstellen, Straßen wären nach SS-Offzieren benannt. Dass aber die Ermordung von Tausenden von Menschen in den ehemaligen Kolonien dem Ruhm und Gedenken alter deutscher Großmachtsherren keinen Abbruch tut, zeigt welche Menschenleben auch heute noch weniger zählen.

Standbild aus dem Trailer zu "Performing Back". Standbild aus dem Trailer zu „Performing Back“ von Simone Dede Ayivi.

Auch regt Dede an, darüber nachzudenken, weshalb das Afrikanische Viertel und die Afrikanische Straße in Berlin-Wedding denn so heißen. Warum und unter welchen Bedingungen sind Menschen aus Afrika zu Zeiten der deutschen Kolonialherrschaft nach Berlin gekommen und wie haben sie hier wo gelebt oder: leben müssen?

In Interviews mit Schwarzen Kulturschaffenden und KünstlerInnen findet ein Austausch über Möglichkeiten, Formen und Notwendigkeit solcher Gegenbilder statt. Denn es gibt sie zahlreich, Schwarze Kulturschaffende und Intellektuelle – allerdings bleiben Positionen mit hohem Status, gesellschaftliche Anerkennung und leitende Funktionen in Deutschland weiterhin ziemlich weiß. In zynischer Weise wirft Ayivi dem vorwiegend weißen Publikum dann Stereotype entgegen und macht aufmerksam darauf, dass die Konfrontation mit absurden Vorurteilen für Schwarze Menschen in Deutschland eine alltägliche Erfahrung darstellt.

Ihre Performance ist, wie sie sagt, nicht zuletzt ein niedrigschwelliges Bildungsangebot für weiße Parallelgesellschaften und vom Wissenszugang ferngehaltene Minderheiten, damit Weiße wissen, was die anderen zwei Drittel der Weltbevölkerung eigentlich so machen. Damit ihnen ein so großes Kulturangebot nicht verschlossen bleibt. Ihr Spott ist beißend und trifft den Nagel weißer Ignoranz auf den Kopf. Denn Kant und die Aufklärung werden in Europa oft als Erbe zitiert, aber die eigene selbstverschuldete Unmündigkeit wird allzu oft nicht erkannt. Natürlich will Dede Ayivi damit nicht behaupten, Repräsentantin aller Schwarzen Menschen zu sein, sondern unterstreicht schlicht, dass Rassismus nichts mit Mehr- oder Minderheiten zu tun hat, sondern mit Macht und mächtigen Traditionen.

Standbild aus dem Trailer zu "Performing Back". Standbild aus dem Trailer zu „Performing Back“ von Simone Dede Ayivi.

Anlässlich des Gedenkens an 130 Jahre Berliner Konferenz stellt sie damit die Frage, ob es nicht endlich Zeit wäre, sich in Deutschland auch mit der eigenen Vergangenheit vor 1933 kritischer auseinander zu setzen und die Verantwortung und Schuld für das Leid während und infolge der Kolonialzeit anzuerkennen. Nicht aus Gründen der Political Correctness, sondern um die gegenwärtige Realität anzuerkennen und zu ändern – weil Geschichte die Gegenwart genauso beeinflusst, wie Geschichtsschreibung ein Spiegel der Gegenwart ist. Wo wir also 2014 stehen, kann man auch daran ablesen, wie wir 1884 interpretieren!

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Performing Back ist Teil des Festivals We Are Tomorrow im Ballhaus Naunynstraße, das vom 15.11.2014 – 26.2.2015 „Visionen und Erinnerung anlässlich der Berliner Konferenz von 1884“ gibt.

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