KAT FRANKIE im Interview über ihr neues Album, die vielfältigen Inspirationsquellen des Lebens und realistische Fantasien

KAT FRANKIE hat musikalisch nur ein ‘Problem’: Sie kann zu viel zu gut – singen, Songs produzieren, Texte schreiben, Instrumente spielen, Erzähluniversen und Stimmungen kreieren. Aber mit ihrem dritten Studioalbum Please Don’t Give Me What I Want legt sie die Lösung des Balance-Aktes in Form ihres bisher besten Werks vor. Denn diese Platte hat die gebürtige Australierin komplett im Alleingang produziert und so ihr inneres musikalisches Universum für uns hörbar eingefangen – formvollendet und direkt ins Herz.

Welche Orte in Berlin sind besonders inspirierend für Dich?

Ich bin keine Ich-hänge-tagsüber-mit-meiner-Gitarre-im-Park-herum-Person. Auf diese Art kann ich die Stadt überhaupt nicht genießen. Ich habe es versucht, mich mit einem Buch an den Kanal zu setzen und einfach dort zu sitzen, aber ich kann das nicht. Aber was ich liebe, ist die Tatsache, dass die Bars nicht schließen, bevor die Sonne aufgeht, und mein Lieblingsmoment in Berlin ist vielleicht so um drei Uhr morgens, wenn Du in einer dieser alten Bars bist, wo nur Kerzen sind und Du hast eine absolut großartige Unterhaltung mit irgendjemanden. Ich liebe diese 3-Uhr-morgens-in-Berlin-Unterhaltungen. Das ist dann vielleicht der beste Platz in der Welt, an dem man gerade sein kann.

Wenn Berlin eine Soundmap wäre – also ein Verzeichnis von Tönen und Geräuschen und Klängen, so wie jede Stadt ja auch einen eigenen Duft hat – welches wäre ihr charakteristischer Sound für Dich?

Oh, das ist eine coole Frage. Ich glaube, in meinem Kopf ist es wahrscheinlich dieser Sound der U-Bahn gemischt mit beschissenen Gitarren. Dieser urbane Straßensound und total schlechte Verstärker, davon höre ich viel. Aber das ist interessant, darüber muss ich nachher noch genauer nachdenken.

Und noch eine Berlin-Frage – hast Du ein Heilmittel gegen den Berliner Winter?

(lacht lauthals) Ja! Geh aus! Geh aus! Geh aus! Bring Dich dazu, auszugehen! Ich bin anfangs, als ich nach Berlin kam, immer zu Hause geblieben und habe mich darüber beschwert, wie kalt es ist – denn ich bin eine Australierin, und das ist es, was wir tun. Und dann letzten Winter habe ich entdeckt, dass, wenn Du ausgehst, Du eine fantastische Zeit haben kannst. Letzten Winter bin ich viel ausgegangen, habe viel Spaß gehabt, habe mich bemüht, auf viele Konzerte zu gehen und Leute zu treffen und was zu unternehmen, und plötzlich habe ich festgestellt, dass der Winter vorbei war. Und ich habe mich weder traurig, noch kalt oder sonst irgendwie schlecht gefühlt. Umarme die Kälte einfach nur – vielleicht schneit es, aber wir werden trotzdem in die Bar gehen und haben dann halt eben Abenteuer im Schnee.

Gehst Du denn viel auf Konzerte hier in Berlin? Und hast du kürzlich jemanden entdeckt, den Du uns empfehlen möchtest?

Ich gehe mittlerweile viel mehr auf Konzerte als noch zuletzt. Ganz am Anfang, als ich nach Berlin kam, war ich sehr interessiert daran, was andere MusikerInnen so machen, dann hat es nachgelassen und innerhalb des letzten Jahres ist das Interesse an Bands wiedergekommen. Das Beste, was ich zuletzt gesehen habe – es ist schrecklich, das zu sagen, denn er ist ein Freund von mir – das war Tristan Brusch aus Berlin. Er hat mich wirklich beeindruckt.

Das ist ein guter Übergang, um über dein Label Zellephan zu sprechen, denn ich habe gesehen, dass du TRISTAN BRUSCH und auch MOWAT auf der Label-Homepage promotest. Wirst Du auf Zellephan weiterhin nur Deine eigenen Platten veröffentlichen oder planst Du in Zukunft auch Bands unter Vertrag zu nehmen?

Ja … also, mal sehen, was nächstes Jahr passiert. Das ist etwas, was ich schon mit anderen anfangen möchte, aber Tristan und Mowat sind nicht auf dem Label. Sie sind zwar im Moment nirgends unter Vertrag, aber ich helfe nur, ihre Platten zu promoten. Aber, in der Tat, möchte ich nächstes Jahr Bands, die ich mag, richtig unter Vertrag nehmen.

Und wie sieht Deine Vorstellung vom Label-Profil von Zellephan aus?

Meine Idee wäre es schon, Zellephan zu einem größeren deutschen Label zu machen, als es das jetzt ist – doch, auf jeden Fall. Aber ich kann im Moment nur hoffen, dies in der Zukunft tun zu können, denn meine Priorität ist schon, an meinen eigenen Sachen zu arbeiten. Wenn ich Leute finde, an die ich glaube und die ich unterstützen möchte, dann werde ich wohl sicher anfangen, das Label auszuweiten. Aber es gibt zur Zeit viel zu tun und ich glaube, ich warte noch auf die richtigen Leute und den richtigen Zeitpunkt. Es wäre schön, ein Label zu haben, das Leute mit extremen Ideen repräsentiert, die nicht in den Mainstream passen und in ihrer eigenen Welt leben. Ich bin einfach auf der Suche nach Menschen, die eben etwas anders und interessant sind.

Hast Du denn schon über das Zusammenarbeiten in musikalische Projekten mit anderen nachgedacht – jetzt, wo Du bereits drei Alben nur mit Deiner Musik produziert hast?

Ja – das mache ich auch tatsächlich sehr bald. Gerade hab ich bereits Gesang für andere Bands beigesteuert und helfe ein bisschen mit englischen Songtexten. Und nächsten Monat beginne ich mit einem neuen Kollaborations-Projekt, das ein bisschen … hmm … verrückter sein wird. Aber mal sehen. Ich bin auf jeden Fall offen für Zusammenarbeit und, ja, im Grunde ist es genau das, was ich für mein nächstes Album tun wollte, also, mehr Menschen mit einzubeziehen. Denn ich bin jetzt an einem Punkt, an dem mir sehr bewusst ist, was ich mit meiner Musik ausdrücken möchte. Als ich am Anfang stand, wollte ich diesen Prozess nicht wirklich mit anderen teilen, weil ich noch nicht sicher war, was ich sagen will. Aber jetzt weiß ich es und fühle mich daher wohler dabei, mit anderen zusammenzuarbeiten, und das ist wirklich das, was ich für das nächste Album tun will.

Du willst keine Namen verraten, von Aufnahmen mit anderen, die schon liefen oder Projekte, die noch laufen?

Lieber nicht. Am Ende kommen die Tracks nicht aufs Album und das wäre dann peinlich. (Lachen)

Gibt es Emotionen oder Situationen für Dich, in denen es keine Worte, keine Sprache und auch keine Musik mehr als Ausdrucksform gibt? Passiert es Dir, dass Du so sprachlos bist, dass Du nicht einmal in einem Song mit Deinen Gefühlen umgehen kannst?

Kat: Ich glaube, am nächsten bin ich dem beim Song ‚Requiem for a Queen‘ gekommen. Denn damals hab ich den Roman „Schande“ von J. M. Coetzee gelesen und da gibt es diese schreckliche Szene – hast Du das Buch gelesen?

Ja … Du meinst die Vergewaltigungsszene.

Ja, da gibt es diesen Überfall und die Tochter wird vergewaltigt und der Vater ist eingesperrt im Bad und kann nichts tun, um ihr zu helfen … und dieser unglaubliche Schmerz und die Reue, als sie ihn am nächsten Tag fragt „wo warst Du?“ und ihm wird klar, dass er vollkommen ohnmächtig ist und nicht in der Lage war, ihr zu helfen, als sie zerstört wurde … Ich habe versucht, diesen Verlust an Lebendigkeit zu beschreiben, dem ein alternder Mann ins Auge sehen muss und diesen Moment, wo ein Mensch, den Du liebst, zerstört wird, und Du bist vollkommen machtlos, diesen Menschen zu beschützen … und da bin ich an den Punkt gekommen, dass ich es nicht mehr beschreiben konnte. Deshalb ist fast der ganze Song nur diese wortlose Melodie, weil ich nicht wusste, was ich sagen konnte.

Aber generell kennst Du das Problem einer kreativen Blockade nicht – dass du nicht produktiv oder expressiv mit deinen Gefühlen umgehen, keine Songs schreiben kannst?

Ich glaube, bisher hatte ich dieses Problem noch nicht.

Du Glückliche.

Manchmal passieren beschissene oder komplizierte Dinge und dann bist Du vielleicht in dem Moment so überwältigt, dass Du es nicht verarbeiten kannst, aber ich glaube, nach einer gewissen Zeit verdichtet sich die Geschichte und dann kannst Du objektiv dazu Stellung beziehen und es beschreiben und verarbeiten. Und natürlich arbeite auch ich noch an Dingen aus der Vergangenheit oder versuche herauszufinden, was genau passiert ist und zu verstehen. Aber ich glaube nicht, dass es so etwas gibt, dass man nicht in der Lage ist, sich auszudrücken. Ich glaube, auch wenn es in dem Moment nicht passiert, dann wird es später dazu kommen.

Falls Du ein Album hättest schreiben können, das Du nicht geschrieben hast – welches wäre es gewesen?

(Überlegt lange) Vielleicht Big Science von Laurie Anderson – das ist wirklich ein freaky Album. Das ist so originell und witzig – das ist auch so anders als ich, dass ich niemals in der Lage wäre, so etwas zu kreieren.

Was müsste passieren, damit Du aufhörst, Musik zu machen?

Es könnte zwei Gründe geben. Zum einen würde ich aufhören, Musik zu machen, wenn ich mich nicht mehr verbessern würde, wenn die Songs nicht mehr besser werden – weil es dann keinen Sinn mehr macht. Und zum anderen, wenn ich statt Musik Design machen könnte, denn ich habe ja Design studiert, also Objekt-Design … ich hab Sachen gemacht, wie …

Stühle.

(lacht) Ja, ich habe sogar eine ganze Menge Stühle designt. Einrichtungen, Installationen und seltsame architektonische Objekte und Fassaden. Wenn ich also das Gefühl hätte, dass ich mich besser in Objekten ausdrücken könnte als in Musik, dann würde ich die Musik für die Objekte eintauschen. Ich vermisse diese Welt schon sehr.

Welches Gebäude hättest Du gern entworfen?

Das einfachste wäre jetzt zu sagen: das Sidney Opera House. Es ist toll. Und ich habe sogar bei Projekten dazu gearbeitet – ich habe Objekte für das Restaurant dort entworfen.

Klingt gut. Dann hast Du auf jeden Fall einen kreativen Plan B neben der Musik.

(lacht) Eigentlich war das ja mein Plan A und Musik war der Plan B und das hat sich jetzt nur irgendwie verkehrt.

Für uns HörerInnen ist das ein Glück. Falls Du eine Garten-Party oder ein Wohnzimmer-Konzert organisieren könntest und dazu drei MusikerInnen/Bands einladen dürftest – tot oder lebendig, egal aus welcher Zeit – wie würde Dein Line-Up aussehen?

(überlegt lange) Die meisten müssten lebendig sein. Der erste wäre Rufus Wainwright und dann … ich weiß, das ist äußerst unoriginell, aber ich hätte liebend gerne Tom Waits auf einer Party und dann jemanden wie Dorothy Parker. Sie könnte einfach eine Klugscheißerin sein und sich betrinken – das wäre fantastisch – eine wirklich richtig gute Party. (grinst)

Dorothy Parker ist keine Musikerin, aber ich lasse das gelten, weil ich auch große Lust hätte, mit ihr rumzuhängen. Wirst Du bei der kommenden Tour solo oder mit Band auftreten?

Mit einer großen Band, also größer als sonst, denn all das Zeug, dass ich auf der Loop-Station mache, wird live von Stimmen gesungen werden. Es werden also ein paar mehr Leute dabei sein, die a cappella singen.

Wenn Du Kat Frankie zum Interview treffen würdest und nur eine Frage stellen dürftest, was würdest Du sie fragen?

(überlegt lange, schmunzelt dabei und seufzt schließlich) Das ist eine verrückte Frage. Es tut mir leid, aber darauf habe ich keine Antwort.

Wir danken für das äußerst inspirierende und unterhaltsame Interview.

(Dieses Interview erschien zuerst auf Popmonitor.berlin. Die Rezension zum Album gibt es hier.)

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KAT FRANKIE
Mittwoch, 14.11.2012 | Heimathafen Neukölln
Doors 21:00 | Tickets: 15,80-16,80 Euro

KAT FRANKIE
Please Don’t Give Me What I Want
(Zellephan/Broken Silence)
VÖ: 28.09.2012

www.katfrankie.com
www.myspace.com/soundslikekatfrankie
www.zellephan.com
www.beatsinternational.com

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