Auf Irrwegen ans Ziel

Das Album Past Forward hat Multi-Instrumentalist, Songwriter und Bandgründer William Besson noch in kompletter Eigenregie 2011 aufgenommen. Mittlerweile hat sich um ihn ALPHACLOUD formiert und die noch ganz frische Berliner Band stellt sich und das Album nun gemeinsam Live vor. Kurz vor ihrem Auftritt am Donnerstag im DazzlE Danceclub steht William Besson, zum ausführlichen Interview zur Verfügung.
Paris, London, Berlin – auf welchem Umweg kamst du hierher?

William: Eigentlich komme ich aus einer kleinen Stadt im Nordwesten Frankreichs, Angers, wo ich gelebt habe bis ich 22 Jahre alt war. Dann bin ich nach London, wo ich 5 Jahre gelebt habe, danach zurück nach Paris, wo ich 3 Jahre geblieben bin und nun bin ich seit 2 Jahren in Berlin.

Und dieser Weg hing mit Deinem Musikschaffen zusammen. Was treibt Dich von einem Ort zum anderen?

William: Also, ich habe eigentlich schon seit meiner Kindheit Musik gemacht und hier und da in Bands gespielt. Aber erst als ich mich dann entschieden habe, dass ich mein Leben ganz der Musik widmen möchte, war klar, dass ich weggehen muss aus dem Dorf. Und so bin ich nach London, weil ich damals dachte, das ist der Ort, an dem man sein müsse – ich wollte eine gute Band finden und außerdem habe ich ja auch schon immer auf Englisch gesungen.

Aber dort kam es trotzdem zu einer Solo-Karriere.

William: Ja, ich habe angefangen allein zu spielen, weil es schwierig war eine Band zu finden. Der finanzielle Druck ist in London einfach zu hoch: die meisten sind entweder Hobby-Musiker, was ein Motivationsproblem bedeutet, oder Professionelle, die sich bezahlen lassen fürs Spielen. Da ist nicht viel Raum zum Experimentieren. Und so habe ich dann mit einem Laptop meine verschiedenen Gitarrenspuren übereinander gelegt und zwei VJs haben noch Bilder während der Show auf die Wand projiziert und irgendwie war ich in einer seltsamen Situation. Ich war zu zynisch, um die Londoner Szene wirklich zu integrieren und wurde immer als dieses exotische französische Produkt gesehen. Es klappte also bis zu einem gewissen Grad, aber nicht so, wie ich das wollte.

Und deshalb zurück nach Paris?

William: Genau. Da haben aber auch persönliche Gründe eine Rolle gespielt und ich war schließlich drei Jahre dort. Aber Paris war wirklich nicht mein Ding, eigentlich war ich so unzufrieden dort, dass ich zwei Jahre lang gar keine Musik gemacht habe, nicht mal ein Instrument angefasst habe und ziemlich frustriert war. Und als mir dann endlich wieder bewusst wurde, dass ich wirklich ernsthaft Musik machen will, war auch klar, dass ich wieder an einen anderen Ort musste und ich hatte drei Möglichkeiten im Kopf: New York, Kopenhagen oder Berlin.

Und?

William: Ich bin für zwei Wochen nach New York aber habe es nicht wirklich gemocht. Es hat mich irgendwie an London erinnert, in dem Sinn, dass der Wettbewerb und finanzielle Druck zu hoch sind. Es ist schwer, dort nur seine Musik oder Kunst zu machen. Naja, und dann bin ich im Sommer nach Berlin und nach zwei Stunden war ich verliebt.

Also hast du Kopenhagen gar keine Chance gegeben?

William: (lacht) Nein, dazu kam es gar nicht mehr. So bin ich also in Berlin gelandet und habe meinen Job endlich aufgegeben, damit ich wirklich nur noch Musik machen kann. Dann habe ich das Album Past Forward produziert und dann eine Band gesucht und mit ALPHACLOUD gefunden.

Wieso das erste Album im Alleingang und dann erst die Band ALPHACLOUD?

William: Naja, ich habe früher ja schon mit anderen Leuten gespielt, aber es gab nie eine richtige Band. Hier in Berlin ist es eigentlich das erste Mal, dass ich wirklich mit dieser Energie arbeiten kann. Aber ich wollte mit einer neuen Band neue Musik machen und nichts von meinen alten Sachen. Nur hatte ich noch keine neuen Songs. Also habe ich das Album mit Hilfe eines Tontechnikers aufgenommen, um was zum Vorzeigen zu haben und so leichter die richtigen Leute für eine Band zu finden. Irgendwie genau umgekehrt als der normale Prozess, das stimmt.

Und haben sich die Songs jetzt durch das Zusammenspiel nochmals verändert?

William: Ja, auf jeden Fall. Das wollte ich auch gar nicht, dass wir einfach das Album genau nachzpielen. Es ist toll, durch neue Leute auch neue Einflüsse zu haben und einen frischen Sound. Live klingen die Songs jetzt ziemlich anders und wir arbeiten auch schon an neuen gemeinsamen Sachen. Also das werden wirklich unsere Songs als Band ALPHACLOUD, ab jetzt.

Dein Sound war früher total elektronisch und das ist jetzt völlig verschwunden. Aber obwohl sich das geändert hat, hört man doch deutlich dasselbe Songwriting durch. Wie kam es zu dem Bruch?

William: Naja, das war eine natürliche Entwicklung. Ich war schon immer mehr ein Musiker für richtige Instrumente, ich habe immer die Energie einer Band gesucht und ich mag Electronic nicht mal wirklich. Aber das war mehr ein Ergebnis des Umstandes, dass ich keine Band hatte und alleine spielen musste, dass ich auf Drum Machine und Laptop zurückgegriffen habe. Und jetzt hört man eben immer noch mein Songwriting, die Art, wie Melodien entstehen ist die gleiche, aber das Arrangement hat sich natürlich verändert und mit einer Band sind natürlich ganz andere Dinge möglich.

Welches sind Deine musikalischen Einflüsse?

William: Ich mag’s, wenn Menschen nicht in der Lage sind, Assoziationen zu knüpfen zu dem Neuen, was sie hören. Ich versuche schon, was ganz eigenes zu machen und mich nicht an anderen zu orientieren. Es gibt in meiner Musik auf jeden Fall diesen melancholischen Aspekt, auch in den Worten, und dann ist sie zwar irgendwie ruhig, aber auch intensiv. Also, das ist zumindest, was ich ausdrücken möchte. Im Moment sind die Texte sehr persönlich, und auf diesem Album geht es insgesamt vor allem um meine Vergangenheit, allgemein auch um die Schwierigkeit loszulassen und weiterzugehen – das ist ein gemeinsames Thema der Songs.

Du hast vorhin davon erzählt, dass Du Deinen Job für die Musik aufgegeben hast, aber das Album ist kostenlos als Download verfügbar. Wie ist denn Dein Konzept davon, als Musiker seinen Lebensunterhalt zu bestreiten?

William: Gute Frage. Auf der einen Seite gibt es das ganze Thema mit dem Verfall durch MP3 und dem Wert von Kunst und die eigene Musik schützen, aber – ich glaube wirklich dass man mittlerweile als aufstrebender, noch unbekannter Künstler seine Musik erstmal einfach hergeben muss, um so viele Menschen wie möglich dazu zu bringen, sie zu hören. Also, es geht erstmal darum, eine Fangemeinschaft aufzubauen und dann kann man den nächsten Schritt gehen. Ich denke, man kann heute keine 10 Euro mehr verlangen, damit sich jemand Dein Album erst einmal anhört, wenn er sich 40 GB am Tag herunterladen kann – das ist unrealistisch. So funktioniert das einfach nicht mehr.

Wie sind denn die Pläne für ALPHACLOUD für 2012?

William: Nun, es gibt uns ja erst seit Dezember so richtig. Deshalb ist das Ziel jetzt erstmal, viel live zu spielen und sich zu zeigen und damit eine möglichst große Fangemeinschaft zu erreichen. Und dann sind wir hoffentlich bald so weit, ein neues Album herauszubringen.

Die letzte Interviewfrage kannst Du Dir selbst stellen?

William: (überlegt lange) Was wäre das größte Kompliment, dass Leute mir machen könten? Dass sie die Texte mögen – mehr als die Musik sogar.

Vielen Dank für das Interview und einen guten Gig!

(Diese Rezension erschien zuerst auf Popmonitor.berlin.)

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ALPHACLOUD
Past Forward
VÖ: 15.04.2011

Live: ALPHACLOUD + GIFTONES
anschl. Party/DJs (Indie, Alternative)
Donnerstag, 23.02.2012 // Dazzle Danzclub
21:00 | Abendkasse 5 Euro

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